HMWPE – das perfekte Material für Einsatz- und Rettungsboote?
Wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen, müssen sich die Retter zu 100 % auf ihre Boote verlassen können, selbst unter den härtesten Bedingungen auf See und in der Arktis. Robustheit und Widerstandsfähigkeit sind daher die wichtigsten Anforderungen an Materialien für den Bau von Such- und Rettungsbooten oder anderen Einsatz-Booten, die in rauen Umgebungen und unter schwierigen Bedingungen eingesetzt werden, wie z. B. Militärboote oder Boote zur Ölbekämpfung. HMWPE („High Molecular Weight Polyethylene“, Hochmolekulares Polyethylen) ist nicht nur sehr widerstandsfähig gegen Abrieb, Durchstoßen, Reißen und Verformung, sondern verfügt auch über andere sehr nützliche Eigenschaften, die im folgenden Vergleich zwischen HMWPE und anderen gängigen Bootsbaumaterialien erläutert werden.
Die Materialien
HMWPE
HMWPE = Hochmolekulares Polyethylen, auch „PE500-Güteklasse“ genannt. Es ist sehr abriebfest und wird daher häufig für Förderbänder oder Küchenschneidebretter verwendet.
Als einheitliches Plattenmaterial ohne Fasern ist HMWPE isotrop (= es überträgt Kräfte gleichmäßig in alle Richtungen), was bedeutet, dass keine besonderen konstruktiven Überlegungen zur Faserrichtung erforderlich sind.
Vorteile: ► Eigenständig in Wasser schwimmfähig ► Sehr hohe Abriebfestigkeit ► Sehr hohe Durchstichfestigkeit ► Geringe Reibung (auf Strand, Eis, …) ► Kaum dauerhafte Verformung ► Leicht zu reparieren (schweißbar) ► Leicht vor Ort zu reparieren ► PE-Boote sind leise, PE dämpft Motorlärm ► PE-Boote über 6 Meter sind leichter als andere Boote | Nachteile: ► HMWPE-Schweißen ist ein langsamer Prozess, der zu mehr Aufwand und Kosten führt. ► Großer Wärmeausdehnungsfaktor, Produktion und Montage von Booten erfordert viel Know-How. ► Nur schwarzes PE ist UV-stabil |
Aluminium
Aluminiumblech für den Bootsbau ist in der Regel eine Aluminium-Magnesium-Legierung. Als einheitliches Metall ist Aluminium ebenfalls isotrop.
Vorteile: ► Geringes Gewicht ► Hohe strukturelle Stabilität in größeren Booten | Nachteile: ► Von sich aus nicht schwimmfähig, sinkt in Wasser ► Verformt sich beim Aufprall auf Hindernisse (Felsen, …) schnell und dauerhaft, wodurch das Material spröde wird. Einmal verformtes Aluminium lässt sich nicht ohne weiteres „zurückbiegen“, ohne dass die Gefahr einer weiteren Beschädigung des Materials besteht. Gefahr des Einreißens, insbesondere beim Hängenbleiben an scharfen Hindernissen wie Felsen oder Unterwasserstrukturen ► Gefahr von galvanischer Korrosion/ elektrischer Korrosion/bi-metallischer Korrosion in Meeresumgebungen (Salzwasser), je nach verwendeter Aluminiumlegierung ► Ausgezeichneter Wärmeleiter, sehr kalte Oberflächen unter arktischen Bedingungen ► Höhere Reibung als PE ► Aluminiumboote sind sehr laut. |
GFK
GFK (glasfaserverstärkter Kunststoff, „Fiberglas“) wird für RHIBs („Rigid Hull Inflatable Boats“, Festrumpf-schlauchboote) verwendet. GFK ist anisotrop, was bedeutet, dass es wie Holz je nach Faserrichtung unterschiedliche Eigenschaften aufweist. Während dies bei flachem Material als Nachteil angesehen werden könnte, ermöglicht es optimierte Konstruktionen und die Verstärkung von Strukturen entlang der Wirkungslinien, was es zu einem sehr interessanten Material bei der Konstruktion von Yachten macht, wo es ein gutes Verhältnis zwischen Gewicht und Festigkeit ermöglicht, wohingegen die Abnutzungsbeständigkeit gegenüber Stößen und anderen „harten“ Belastungen dort von geringerer Bedeutung ist.
Vorteile: ► Geringes Gewicht. Gutes Gewichts-/Festigkeitsverhältnis (bei richtiger Verarbeitung) | Nachteile: ► Bei kleineren Booten sind luftgefüllte Schläuche für den Auftrieb erforderlich (Risiko eines katastrophalen Schadens). ► Weniger widerstandsfähig gegen Abrieb (Felsen, Eis) ► Weniger widerstandsfähig gegen Durchstoßen |
Der Vergleich
HDPE-Boot oder Aluminium-Boot?
Aluminium hat seinen Platz als Bootsbaumaterial dort, wo die Bedingungen weniger anspruchsvoll sind und mehr Rücksicht auf die „gute Behandlung des Bootes“ genommen werden kann, z. B. bei privaten Angel- oder Freizeitbooten. Aufgrund seiner hohen strukturellen Stabilität ist Aluminium auch für größere Boote geeignet.
Wenn das Boot auch unter sehr rauen Bedingungen einwandfrei funktionieren muss, ist HMWPE ein viel zuverlässigeres Material. Die Bediener müssen sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können, z. B. die Rettung von Menschenleben, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass ihr Boot beschädigt wird oder gar ausfällt. Egal, wie sehr Sie Ihr HMWPE-Boot „missbrauchen“, es wird es überstehen. Die überragende Widerstandsfähigkeit von HMWPE gegen Durchstiche, Risse, Abrieb (wodurch einige Aluminiumboote als Nebeneffekt anfällig für galvanische Korrosion werden) und dauerhafte Verformung (für die Aluminium ebenfalls sehr anfällig ist) erlaubt es den Such- und Rettungsmannschaften, keinen Gedanken an die Integrität und Leistung ihrer Boote verschwenden zu müssen, sondern sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
HDPE-Boote oder GFK-Boote?
Der Vergleich zwischen HMWPE-Booten und GFK-Booten ist komplexer, da sich nicht nur das Material, sondern auch die gesamte Konstruktion unterscheidet:
Boote auf GFK-Basis werden als Rigid Hull Inflatable Boats” („RHIBs“, Festrumpfschlauchboote) gebaut. Sie ähneln den traditionellen Schlauchbooten, von denen sie abgeleitet wurden: Schlauchboote mit festem Rumpf beziehen einen Teil ihrer strukturellen Stabilität aus ihren unter Druck stehenden Schläuchen, die durch einen starren Boden/Rumpf verstärkt werden.
HMWPE-Boote hingegen sind als Rigid Buoyancy Boats” („RBBs“, „Festrumpf-Auftriebsboot“) konzipiert. Obwohl sie äußerlich ähnlich aussehen, folgen sie einem grundlegend anderen Konstruktionsprinzip. Das gesamte Boot ist strukturell stabil gebaut, wobei der Auftrieb sowohl durch den Rumpf selbst als auch durch die starren D-förmigen Pontons des Bootes gewährleistet wird. Hier finden Sie einen Vergleich zwischen den allgemeinen Konstruktionskonzepten von Festrumpf-Auftriebsbooten (RBBs) und Festrumpfschlauchbooten (RHIBs).
Zusammenfassung
Alle drei Materialien haben ihre besonderen Stärken und ihren Platz im Bootsbau.
► Aluminiumboote können unter „Schönwetterbedingungen“ glänzen, z. B. als gut behandelte Privatboote, insbesondere größere Boote oder Yachten, da es für die geringen Anforderungen in diesem Bereich einfach robust genug ist.
► GFK ist ein interessanter Werkstoff im Yachtbau, der optimierte Konstruktionen, ein breites Formenspektrum und ein gutes Gewichts-/Stabilitätsverhältnis ermöglicht. Bei der Verwendung von starren Rümpfen/Böden (um die Probleme von reinen Schlauchbooten zu kompensieren) spielt GFK jedoch seine Stärken nicht aus.
► Im Vergleich zu Aluminium und GFK schneidet HDPE bei schwierigen Bedingungen am besten ab. Festrumpf-Auftriebsboote aus HMWPE können fast jede Art von Beanspruchung aushalten, ohne sich zu verformen, geschweige denn durchbohrt zu werden oder zu reißen. Wenn sie doch einmal beschädigt werden sollten, behalten sie ihre Stabilität und ihren Auftrieb, ohne die Mission zu gefährden, und lassen sich später leicht reparieren.
Wo die Bedingungen am härtesten, die Herausforderungen am größten und die Anforderungen am kompromisslosesten sind, ermöglichen Festrumpf-Auftriebsboote aus HMWPE den Besatzungen, sich voll und ganz auf ihre Aufgaben zu konzentrieren, während sie sicher sein können, dass ihr Boot den Anforderungen gewachsen ist, egal was auf sie zukommt. Kurz gesagt: Wo unter Extrembedingungen höchste Einsätze auf dem Spiel stehen sind HMWPE-Boote in ihrem Element.